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Ophüls - auch digital ein Erfolg

Seit 20 Jahren fördert die Stiftung ME Saar herausragende Projekte aus Bildung, Wissenschaft und Kultur. Das Saarbrücker Max-Ophüls-Festival gehört seit vielen Jahren dazu. Wegen der Pandemie fand das renommierte Filmfest erstmals vollständig digital statt. Dafür hat das Team eine komplett neue Plattform entwickelt. Ein Gespräch mit Festival-Chefin Svenja Böttger

2021 war kein normales Festival möglich. Wegen des Lockdowns mussten Sie in den digitalen Raum ausweichen. Wie fühlt es sich an, wenn ein Filmfest ohne Besucher auskommen muss?

Das Festival war in diesem Jahr tatsächlich ganz anders als die Vorgänger-Ausgaben. Aber gut anders. Das Wichtigste für uns war, dass es nicht zu vergleichen ist. Es war eben nicht wie das physische Filmfestival. Und doch ist es uns gelungen, unserem Auftrag nachzukommen: den Nachwuchs zu fördern. Wenn die Pandemie bereits länger als ein Jahr andauert, kann es aus unserer Sicht nicht die Antwort sein, das Festival abzusagen und abzuwarten. Das geht einfach nicht.

Das Max-Ophüls-Festival lebt aber auch von der Präsenz. Von den Treffen in den Kinos. Auf all das mussten Sie verzichten.

Es ist völlig klar, dass man den Festivalclub Lolas Bistro nicht online ersetzen kann. Auch die Zufalls-Begegnungen im Kino nicht. Aber man kann digital Räume schaffen, die andere Möglichkeiten bieten, sich zufällig zu treffen. Wir haben uns also überlegen müssen, wie wir wichtige Teile des Festivals auch online adaptieren konnten. Erst einmal geht es vor allem darum, dass die Filmschaffenden ihre Filme präsentieren können – und im Austausch vorstellen können, was sie erzählen wollten. Und das geht auch online hervorragend. Einmal gab es aufgezeichnete Regiegespräche, bei denen die Zuschauerinnen und Zuschauer schon Antworten auf viele Fragen finden konnten. Auf der anderen Seite hatten wir den MOP-Festivalfunk in Kooperation mit dem Saarländischen Rundfunk. Das war eine schöne Möglichkeit, weil wir da keine zeitliche Limitierung hatten. Die Gespräche konnten sich da entwickeln - mal in diese, mal in jene Richtung. Und die dritte Komponente waren Live-Gespräche, für die sich das Publikum per Zoom eingewählt hat und dann einfach Fragen gestellt hat.

Wenn Sie das mit den Diskussionen in den Kinos vergleichen, war das ähnlich?

Vergleichbar ist das physische Feedback mit dem online erhaltenen leider nicht. Es ist ganz anders. Zum einen positiv gesehen, dass wirklich viele Zuschauerinnen und Zuschauer sich an die Filmteams oder an uns gewandt haben und uns geschrieben haben. Allerdings hat die Anonymität des Internets auch zur Folge, dass gerade bei den eher kritischen Themen wie beispielsweise Migration oder Kapitalismus-Kritik eher undifferenziertes Feedback und auch Beleidigungen ankommen. Hier ist zu beobachten, dass das Publikum vor Ort sich direkt in den Dialog mit dem Filmschaffenden oder dem Festival begibt. Online fällt dies weg, weshalb es einfacher ist, unqualifiziert Hasskommentare und rassistische Kommentare zu schicken, da sie sich dem Dialog, der zweifelsohne physisch entstanden wäre, entziehen können. Aber das Publikum hat viel mehr positives und tolles mündliches Feedback geschickt und sich via Zoom mit den Filmschaffenden ausgetauscht. Das physische kann es aber nicht ersetzen.

Wie war denn die Reaktion beim Film-Nachwuchs auf das digitale Festival?

Wir haben viele Rückmeldungen bekommen, in denen sie sich bedankt haben. Und gesagt haben, dass es sich ausdrücklich nicht wie ein Ersatz anfühlt, sondern wie eine richtige Ausgabe. Man sollte auch sehen, was ohne die Online-Version verloren gegangen wäre: Es kann nicht sein, dass wir einem Nachwuchs-Filmschaffenden sagen: „Jetzt hast Du drei Jahre in Deinen Film investiert, warte doch noch ein Jahr, bis die Pandemie vorbei ist.“ Die Rückmeldungen zeigen, dass es uns gut gelungen ist.

Die Entscheidung, mit dem Festival online zu gehen, war in doppelter Hinsicht ein Novum. Denn es gab ja keine brauchbare digitale Plattform. Die haben Sie in Kooperation mit einem Münchner Unternehmen entwickelt. 

Das war tatsächlich ziemlich aufwendig. Ich weiß auch nicht, ob ich das heute noch einmal so entscheiden würde, aber es hat funktioniert. Wir haben uns im Sommer angeschaut, welche Anbieter es gibt und welche Erfahrungen die anderen Festivals gemacht haben. Und so recht gab es da keine adäquate Lösung für uns.

Was war denn so speziell?

Es gibt viele Faktoren zu beachten. Da wir vor der Auswertungskette die Filme präsentieren, müssen wir darauf achten, den Rechteinhabern den weiteren Weg der Filme nicht zu verbauen. Deshalb war es wichtig, dass sowohl die Zahl der Tickets limitiert sein musste und die Filme nur aus Deutschland geschaut werden durften. Auch die zeitliche Nutzungsdauer war entscheidend, deshalb wurde diese auf die Festivalwoche begrenzt. Und gerade, weil wir Startpunkt der Auswertung sind, müssen wir eine sichere Streaming-Technik verwenden – all unseren Ansprüchen hat die Blockchain-Technologie Rechnung getragen. Auf dieser Basis haben wir uns dann entschieden, eine neue Plattform zu entwickeln. Und – das war sehr erfreulich – wir haben das Wirtschaftsministerium gefragt, ob es dafür Möglichkeiten der Innovationsförderung gibt. Und die gab es!

Trotzdem bleibt es ein großes Wagnis, als ein so renommiertes Festival mit einer komplett neuen Digitallösung an den Start zu gehen. Schließlich gibt es da ja immer das Risiko von Ausfällen.

Das ist richtig, aber ich würde sagen, dass das System zu 90 Prozent sehr gut funktioniert hat. Natürlich gab es sehr viele Fragen, viele Unsicherheiten. Und wir hatten ein Support-Team, das rund um die Uhr eben solche Fragen beantwortet hat. Wir haben dadurch potenzielle Fehlerquellen entdeckt, wir haben aber auch gesehen, dass sehr viele Fehlermeldungen Anwendungsfehler der einzelnen User waren. Am Ende haben wir durchweg positives Feedback bekommen, aber es stimmt: Es war auf jeden Fall ein wilder Ritt in einer extremen Ausnahmesituation.

Bei Ophüls kommen auch viele Besucher aus der Nachbarregion Moselle zu Besuch. Online war das Festival  aber in Frankreich nicht zu empfangen. Hat das nicht zu Unmut bei den französischen Fans geführt?

In einer Grenzregion wie dem Saarland ist das natürlich schade, aber aus rechtlichen Gründen dürfen wir nur das Publikum in Deutschland ansprechen. Das liegt daran, dass es in der Filmbranche ein strenges Territorialprinzip gibt. Letztlich haben sich aber auch nur etwa 15 Nutzerinnen und Nutzer beschwert. Und als wir es ihnen erklärt haben, konnten sie die Problematik nachvollziehen.

Bei Ophüls ist immer auch mal ein bekannter Schauspieler zu Gast. Mario Adorf war beispielsweise 2018 Ehrengast, andere prominente Gäste waren Heike Makatsch oder Michael Verhoeven. Ist es bei einem digitalen Festival noch leichter, auch prominente Gäste zu begrüßen, weil diese sich weltweit zuschalten können?

Unser Fokus liegt anders. Das Filmfestival Max Ophüls Preis ist ein Nachwuchsfestival, das nicht auf Prominenz und Roten Teppich setzt. Uns geht es darum, die Stars von Morgen zu zeigen. Es geht um ihre Geschichten, um ihr Talent und die filmische Handschrift. Ob da ein Promi kommt oder nicht, ist zweitrangig. Es gibt keine Zwei-Klassen-Gesellschaft also keine Extra-Lounge für Promis beispielsweise. Wir gehen alle ins gleiche Kino, alle treffen sich an der gleichen Bar. Das ist es, was das Festival ausmacht. In Saarbrücken geht es um die Begegnungen und um die Filmkunst.

Werden angesichts der Pandemie überhaupt noch neue Filme gedreht?

Es wird gedreht. Zu Beginn der Pandemie gab es für rund zwei bis drei Monate Stillstand, weil man sich auf die Situation einstellen musste und neue Maßnahmen entwickeln musste. Aber seit letztem Sommer wird wieder fast normal gedreht. Mit vielen Testungen, strengen Hygienevorschriften und Maskenpflicht am Set. Inhaltlich sind natürlich viele Einstellungen nicht mehr möglich. Szenen mit vielen Menschen beispielsweise. Oder körpernahe Einstellungen sind auf ein Minimum reduziert. Wie es in den nächsten Jahren weitergeht, ist schwierig zu prognostizieren, auch weil viele Projekte jetzt schwieriger Finanzierung bekommen. Es gibt auch einen riesigen Film-Stau durch geschlossene Kinos und die vielen Festival-Verschiebungen und -Absagen. Auf der anderen Seite brauchen die Streaming-Plattformen und Fernsehsender aber auch neues Material. Es wurde noch nie so viel gestreamt wie aktuell – die Nachfrage ist riesig.

Was heißt das gerade für die Nachwuchstalente, die das Max-Ophüls-Festival dominieren?

Wir haben die Befürchtung, dass einige der guten Talente kämpfen müssen, weil sie keinen Platz finden, eine Premiere zu feiern mit ihren Projekten. Und weil vor allem bei den Low-Budget-  und No-Budget-Produktionen am meisten gespart wird. Deshalb ist es jetzt unheimlich wichtig, eine Kino-Öffnungsstrategie zu haben für den gesamten europäischen Markt. Alles, was an Arthouse-Filmen da ist, wird erst gezeigt werden, wenn in Europa die Kinos flächendeckend wieder öffnen. Der deutsche Film hat erst eine Chance, wenn in ganz Deutschland die Kinos öffnen können und eine Perspektive vorhanden ist, dass sie nicht direkt wieder zu machen müssen.

Wird es bedingt durch Corona und die Lockdown-Erfahrungen neue Filmthemen geben?

Ja auf jeden Fall. Die gibt es bereits jetzt schon zu beobachten. Themen wie Einsamkeit, Familie, Isolation, Gesellschaft und das Thema Älterwerden und Generationskonflikte werden stärker thematisiert werden. Was passiert mit den jüngeren Menschen, was passiert mit denen, die jetzt in diese Situation geboren werden. Welche Auswirkung hat es, wenn wir uns nur noch mit Masken begegnen. In diese Richtung wird es ganz sicher gehen. Aber das wird im Langfilm-Bereich noch ein wenig dauern. Diese Produktionen brauchen in der Herstellung zwei bis drei Jahre, bis die Kinopremiere ansteht.  

Und wie wird das Max-Ophüls-Festival im kommenden Jahr aussehen?

Unser erklärtes Ziel ist es, dass es im kommenden Jahr hybrid stattfinden kann. Rein physisch wird es wohl noch nicht sein können. Da müssen wir abwarten, wie die Impfungen vorangehen und wie sich die Mutationen ausbreiten.